RAN Study Visit Germany vom 16.-17.12.2015
Unter dem Titel „Good practices of preventing group focused hate and right wing extremism in Germany“ fand vom 16. bis 17.12.2015 eine Studienreise von Praxis-Kolleg*innen aus verschiedenen Ländern der EU nach Deutschland statt. Die Veranstaltung wurde in Kooperation zwischen dem „Radicalisation Awareness Network Centre of Excellence“ (RAN CoE) und Cultures Interactive e.V. organisiert. Die Teilnehmenden setzten sich mit dem Thema der europaweiten sozialen Polarisierung im Kontext von Flüchtlingsbewegungen auseinander und erhielten Einblicke in Arbeitsfelder und Ansätze der Prävention im Bereich des Rechtsextremismus in Deutschland.
Am 16.12.2015 fuhren die Kolleg*innen aus Dänemark, Griechenland, Irland, Kroatien, Malta, den Niederlanden, Norwegen, Schweden, Slowenien und der Tschechischen Republik nach Halle/Saale, wo sich Miteinander e.V. mit seinen verschiedenen Arbeitsbereichen vorstellte. Zu den Arbeitsfeldern des Vereins gehören Opfer- und Mobile Beratungen, pädagogische Präventionsarbeit sowie intensivpädagogische Arbeit im Strafvollzug in Sachsen-Anhalt.
Anschließend folgte ein Besuch der Grünen Villa, ein in den letzten Monaten auf Eigeninitiative von Kulturschaffenden und Pädagog*innen entstandenes soziales Zentrum in Halle-Neustadt, das ein eindrückliches Beispiel für einen generationsübergreifenden, niedrigschwelligen Begegnungs- und Lernort darstellt. Der Träger, die Kulturwerkstatt e.V., will hier „alteingesessenen“ Bewohner*innen und Neuankömmlingen im Stadtteil die Möglichkeit bieten, über Theater, Tanz, Kunst, Garten und Stadtkultur miteinander in Kontakt zu kommen und ihr Umfeld mitzugestalten.
Abends trafen die Gäste im Bundesfamilienministerium mit Nilden Vardar und Thomas Heppener zusammen, die das Programm „Demokratie leben!“ vorstellten und dessen umfassende Struktur auf Bundes-, Länder und kommunaler Ebene erläuterten. Um die verschiedenen Säulen des Programms anschaulicher zu machen, kamen am 17.12. verschiedene deutsche Kolleg*innen aus diversen Arbeitsbereichen der Präventionsarbeit zu einem Fachaustausch zusammen und stellten in Vorträgen und World Café-Diskussionsrunden ihre Arbeitsgebiete und Erfahrungen mit extrem rechten Bewegungen in Deutschland vor.
Mit dabei waren die Mobile Beratung Berlin (MBR) und der Verein Lichtblicke e.V., dessen Kolleg*innen von der Arbeit mit Eltern von rechtsextremen Kindern und der Fachkräfteberatung berichteten. Als Modellprojekte im Bereich Radikalisierungsprävention stellte das Institut für genderreflektierte Gewaltprävention (ifgg) „Präfix R - Radikalisierungspräventionsprogramm für Kinder inhaftierter Eltern“ vor. Cultures Interactive e.V. (CI) erläuterte den „DisTanZ“-Ansatz, der Verfahren zur Etablierung von lokalen, bereichsübergreifenden Präventionsnetzwerken und frühen Distanzierungsangeboten für gefährdete Jugendliche umfasst. Außerdem waren Kolleg*innen der BAG Opferberatungen sowie das Lidice Haus für Elternarbeit und familienorientierte Hilfen vertreten. In der Vorbereitung wurden bewusst Träger angesprochen, die bisher nicht im RAN-Netzwerk aktiv sind, um möglichst vielen einen Einstieg zu ermöglichen.
Die Resonanz der internationalen Besucher*innen, die aus den Bereichen Jugendarbeit, Mentoring, Gesundheitsservice, Gemeinwesen- und Konfliktbearbeitung, Polizei, Stadtverwaltung und Forschung kamen, war sehr positiv. In der Auswertung hoben sie Folgendes als besonders erfolgsversprechend für eine Übertragung in ihre Länderkontexte hervor:
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den weiten Präventionsbegriff durch die Phänomenbeschreibungen des Konzepts der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit,
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die umfassenden und aufeinander abgestimmten Maßnahmen des Programms mit Blick auf „Opfer“- und „Täter“-Gruppen sowie auf zivilgesellschaftliche Stärkung,
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die offensichtlich langjährige Expertise durch die Entwicklungen aus den Modellprojekten
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und die Bedeutung von freien Trägern/NGOs in diesem Arbeitsbereich.
Das Programm „Demokratie leben“ wurde insgesamt als „best practice“ bewertet. Die Summe an Geld, die der Bund dafür aufwendet, war für die Teilnehmer*innen beeindruckend, wenngleich es nur ein Bruchteil von dem ist, was in den Ländern in die sogenannte Anti-Terror-Arbeit des Sicherheitssektors fließt. Auch verzeichneten einige der europäischen Partner ein „Aha-Erlebnis“ in Bezug auf die föderalen Strukturen in Deutschland, die es – so ihre Einschätzung – sehr erschweren, gute Praxis weitreichend in den Regelstrukturen zu verankern. Ein RAN-Mitglied bemerkte, dass Deutschland angesichts seiner vielseitigen Expertise bislang eindeutig zu bescheiden im internationalen Praxisaustausch gewesen sei.