Übersehen und betroffen – junge Frauen, Genderaspekte und Radikalisierung
Wie kann eine diskriminierungssensible Prävention, auch mit Blick auf Radikalisierungsprozesse von jungen Frauen in Berlin gelingen? Dieser Frage gehen wir am 14. und 15. November 2024 in einer zweitägigen Fortbildung mit Fachinputs und praxisorientierten Hilfestellungen nach, die sich insbesondere an Berliner Fachkräfte aus Polizei und Sicherheitsbehörden sowie der Präventionsarbeit richtet.
Radikalisierung von Mädchen und jungen Frauen wird häufig übersehen
Mädchen und junge Frauen sind immer stärker von Radikalisierung betroffen und werden von extremistischen Netzwerken direkt angesprochen. Bei ihren Hinwendungsprozessen spielen viele Faktoren eine Rolle. Einige davon haben etwas mit ihren persönlichen Geschlechtervorstellungen, den Werten und Normen, die ihnen familiär oder in der Schule vermittelt wurden, und den gesellschaftlichen Erfahrungen, die sie als Mädchen gemacht haben, zu tun.
All das wird gezielt von extremistischen Akteur*innen aufgegriffen und vor allem online genutzt, um junge Frauen für islamistische (oder rechtsextreme) Zwecke anzusprechen. Dabei werden sie weiterhin viel zu oft in ihrer Radikalisierung übersehen. Gerade bei Polizei und Sicherheitsbehörden bleiben sie häufig „unter dem Radar“, da ihr Handeln weniger im öffentlichen Raum stattfindet. Studien und Erfahrungen der Radikalisierungsprävention zeigen dagegen, dass Mädchen und Frauen im Islamismus (wie auch im Rechtsextremismus) eine wichtige Rolle in verschiedenen Gruppierungen spielen können, etwa in der Weitergabe von Ideologie on- und offline, in der Familien- und Erziehungsarbeit sowie in der geschlechtsspezifischen Rekrutierung anderer junger Frauen. Dabei greifen sie häufig antimuslimischen Rassismus auf, der sich bei ihnen zu einem „Opfernarrativ“ genereller Muslimfeindlichkeit in der westlichen Welt verdichtet. Damit können sie nicht selten erfolgreich bei den persönlichen Erfahrungen von jungen muslimischen Frauen andocken.
Fortbildung zu Genderaspekten in der Radikalisierung und mädchenorientierten Hinwendungsmotiven
Was braucht es für eine genderreflektierte und mädchenorientierte Prävention, bei der junge Frauen, die sich radikalisieren, nicht übersehen werden, deren gegebenenfalls erhöhte Benachteiligungen dennoch sachgerecht einbezogen werden können? Und wie kann das Zusammenwirken von Fachträgern der Präventionsarbeit mit Polizei und Sicherheitsbehörden durch einen mädchenorientierten und diskriminierungssensiblen Blick gut gelingen?
In der zweitägigen Fortbildung werden (1) Genderaspekte in der Radikalisierung sowie mädchenorientierte Hinwendungsmotive und Rollenangebote in islamistischen Kontexten mit einer vergleichenden Perspektive auf Frauen/Mädchen im Rechtsextremismus vorgestellt. Darüber hinaus geht es um die Frage, wie weibliche Personen für extremistische Szenen aktiv werden und in welcher Weise sie auch gewalttätig in Erscheinung treten. Diskriminierungserlebnisse, von denen muslimisch gelesene Mädchen betroffen sind, werden im Kontext anderer Hinwendungsfaktoren zum Islamismus besprochen. Zudem wird der Frage nachgegangen, wie die Polizei Musliminnen diskriminierungssensibel und situativ vor bedrohlichen Erlebnissen schützen kann.
Dabei wird (2) auch die eigene Rolle betrachtet: Die Teilnehmenden erarbeiten Möglichkeiten für konstruktive Hilfestellungen im öffentlichen Raum, die seitens der Polizei mitgeleistet werden können, um situationsbezogenen Auswirkungen von gesellschaftlichen Benachteiligungs- und Frustrationserfahrungen entgegenzuwirken. Zudem werden Kommunikations- und Deeskalationsstrategien vorgestellt und durch spezifische Methodengrundsätze des deeskalierenden Auftritts bei gleichzeitiger Wahrung der persönlichen Präsenz vermittelt.
Fortbildung am 14. und 15. November 2024 in Berlin
Die Fortbildung findet jeweils von 9 bis 16 Uhr statt. Sie wird durchgeführt von Referent*innen aus der Präventions- und Interventionspraxis im Bereich islamistisch begründeter Extremismus und Rechtsextremismus in genderreflektierter Perspektive, aus Islamwissenschaften, Sozialpädagogik sowie aus der Anti-Gewalt- und Deeskalationsarbeit. Die Fortbildung ist ein Angebot im Rahmen des Projekts MIA – Mädchen im Austausch und dank einer Förderung durch die Landeskommission Berlin gegen Gewalt kostenfrei.
Bitte melden Sie sich bis zum 7. November 2024 auf dieser Seite für die Fortbildung an.