Gesprächsgruppen mit Jugendlichen aus diversen Kontexten – Ressource eines lebendigen kommunalen Miteinanders

Ein Grundelement einer lebendigen, integrativen Demokratie ist das Gespräch – im Dialog zu zweit oder in einer Gruppe. Auf persönlichem Austausch und wechselseitigem sich (selbst) Kennenlernen baut kommunales Miteinander auf. Und nur im zwischen­menschlichen Gespräch bildet sich jenes soziale Vertrauen unter Mitbürger*innen, das auch in konflikt­haften Zeiten Bestand hat und wächst – und so den gesellschaft­lichen Zusammen­halt voranbringt. Deshalb ist die Fähigkeit zum Gespräch, in unterschied­lichen Situationen und Gruppen, über soziale und kulturelle Grenzen hinweg, eine Grund­voraussetzung von Demokratie, die noch vor jeglichen Kontroversen, Debatten oder politischen Diskussion geschaffen werden muss. Denn nur wenn die Fertigkeit – und auch das lebendige Bedürfnis – zum Miteinander-Reden besteht, kann gesellschaftliche Auseinander­setzung und Entscheidungs­bildung überhaupt gelingen – und wird nicht in eifernde Gegner*innenschaft und Verdächtigung verfallen.

Dies gilt umso mehr, je vielfältiger und dynamischer eine Kommune ist. Denn in einer zunehmend heterogenen Bevölkerung kommen mannig­faltige kulturelle Hintergründe, soziale Milieus, Familien­biografien sowie Persön­lichkeiten und Lebens­entwürfe zusammen. Sie können sich wechselseitig verständigen, ergänzen und bereichern – und den gesellschaftlichen Zusammenhalt nachhaltig unterstützen. Deshalb wird in Ergänzung zu dem Basis­verfahren der Narrativen Gesprächsgruppen® an Schulen in diesen Gesprächsgruppen die Mischung der unterschiedlichen sozialen Kontexte und kulturellen Hintergründe möglichst divers gestaltet, sodass die verschiedenen kommunalen Bevölkerungs­gruppen in ihnen möglichst vertreten sind.

Die Offenheit fürs Gespräch fördern

Die Fähigkeit zum Gespräch – vor allem über individuelle Erfahrungen in der je eigenen Lebenswelt – ist nicht selbstver­ständlich. Das Miteinander-Reden, zumal wenn es über Schranken der kulturellen, sozialen, generationalen oder persönlichen Differenz hinwegreicht, ist herausfordernd. Sprachliche, aber auch psychologische und emotionale Hindernisse stehen dem oft im Weg. Die zunehmende gesellschaft­liche Polarisierung in unterschiedliche „Lager“ und zwischen Anhänger*innen verschiedener „gefühlter Wahrheiten“ tut ein Übriges. Ein Gespräch zu führen – sich in einer Gruppe auszutauschen – muss zuallererst erlernt und dann beständig geübt werden. Jugendliche und junge Menschen weisen hierfür eine große Bereitschaft und eine offene Lernfähigkeit auf, die häufig übersehen wird. Diese Offenheit fürs Gespräch sollte proaktiv aufgenommen, ermöglicht und weiterhin gefördert werden. Desto besser können Jugendliche dann auch die trans­generationalen Brücken zu den Erwachsenen und Älteren der unterschiedlichen sozialen Gruppen und Sprach­gemeinschaften einer Gemeinde aufbauen.

Hierfür sind lebensnahe soziale Lernformate erforderlich, die es ermöglichen, die Praxis des Dialogs und des Gesprächs in einer Gruppe sozial und kulturell unterschiedlicher junger Menschen einzuüben: Deshalb werden Gesprächs­gruppen mit Jugendlichen erprobt, deren Familien unterschiedliche Hintergründe und Familien­biografien aufweisen. Hierbei entsteht ein innovatives Format der inklusiven ‚Gemeinwesens­arbeit von unten‘, in dem die Jugendlichen der Gesprächsgruppe auch eine Zwiesprache mit ihren jeweiligen Erwachsenen-Umfeldern herstellen – und in ihre Gruppe zurückvermitteln. Dies erfolgt in Zusammenarbeit mit Schulen, Jugendhilfe, zivilgesell­schaftlichen Trägern und ehrenamtlichen Initiativen vor Ort – und mit den Familien der jungen Menschen. Der Fokus des Projekts liegt dabei auf Schüler*innen in heraus­fordernden Sozial­räumen. Denn Schulen haben das Potenzial, Jugendliche mit sehr unterschiedlichen Hintergründen unter einem Dach zusammenzubringen. Ein intensiviertes Gespräch im geschützten Raum kann Gruppen von verschiedenen Jugendlichen mehr miteinander in Beziehung bringen – und den gesell­schaftlichen Zusammenhalt befördern.

Politische Teilhabe und Debattenkultur in der demokratischen Gesellschaft

Ziel dieser Gesprächs­gruppen ist somit die Förderung der kommunikativen Fähigkeiten zu zwischenmenschlicher Kontakt­aufnahme und Gespräch unter Menschen mit unterschiedlichen sozialen, kulturellen und familien­biografischen Hintergründen. Dabei bereiten die Gruppen auch auf eine selbstbewusste und verantwortliche Teilhabe und Debattenkultur in einer vielfältigen demokratischen Gesellschaft vor. Im Zuge dessen werden stets auch diejenigen Kompetenzen gestärkt, die es ermöglichen, Ressentiments, antidemokratische Haltungen, Menschen­feindlichkeit und Verschwörungs­erzählungen zu bewältigen. Hierfür setzen die Gesprächs­gruppen Verfahren der narrativen Gesprächsführung, der sozialen Vertrauens- und Beziehungsbildung in der Gruppe sowie der Konflikt- und Prozess­begleitung ein. Als Ergebnis erbringt das Projekt eine exemplarische Konzept- und Methoden­formulierung und erstellt Weiterbildungs­materialien sowie Prozess­beschreibungen. Sie können das Fundament für weiteren Transfer, Erprobung und Verstetigung der Gesprächs­gruppen mit Jugendlichen in anderen Kommunen in (Ost)Deutschland schaffen. Die erforderliche lokale Vernetzungs­struktur umfasst neben Schulen, Vereinen und Jugendarbeit auch Fach­hochschulen der Sozialen Arbeit und die Landesbehörden für Schule, Jugend und Soziales.

Projektinformationen

Ansprechpartner
Dr. Harald Weilnböck
weilnboeck@cultures-interactive.de

Kooperationspartner
Friedenskreis Halle
Bürgerstiftung Halle