Prävention und Deradikalisierung in Strafvollzug und Bewährungshilfe

Exchange Brandenburg ist ein gemeinsames Projekt von Violence Prevention Network und Cultures Interacive, das in Brandenburger Haftanstalten sowie im Vorhaft-Bereich durchgeführt wird. Denn mit einer wachsenden Anzahl an ideologisch begründete Straf- und Gewalttaten ist auch ein Anstieg von Inhaftierungen entsprechender Täter*innen zu erwarten. Im Umgang mit all Personen, die eine Affinität zu extremen Ideologien zeigen, sind dabei eine professionelle Haltung und eine klare Distanz zu den favorisierten Ideologien unabdingbar. Geboten sind mithin Präventions- und Interventionsangeboten sowie Fortbildungen für Mitarbeiter*innen des Strafvollzuges und der Bewährungshilfe.

Prävention, Intervention und Fortbildungen für Fachkräfte

Das Modellprojekt beinhaltet ein umfassendes Maßnahmenpaket, in dessen Rahmen bedarfsorientiert und zeitnah auf Fälle der Radikalisierungsgefährdung oder er Radikalisierung im Justizvollzug reagiert werden kann.

Zu diesem Zweck stellt EXchange Brandenburg Maßnahmen der

  • Prävention (Biografie-Werkstätten/jugendkulturell-kreative Identitäts-Workshops für Personen mit Affinität zu extremistischen Ideologien),
  • phänomenübergreifende Intervention/ Deradikalisierung/Ausstiegsarbeit im Gruppen- und Einzelsetting und
  • Fortbildung für Fachkräfte und andere Multiplikator*innen im Strafvollzug und in der Bewährungshilfe bereit.

Die „Biografie-Werkstätten“ und „Identitäts-Workshops“ ermöglichen die Aufbereitung von lebensgeschichtlichen sowie sozialpolitischen Themen, sodass Assoziationsbrücken zwischen biografischen und aktuellen politischen Fragestellungen entstehen können. Ausgangspunkt ist dabei immer der Lebensweg der jungen Straftäter*innen, wobei historische Daten und Situationen mit persönlich Erlebtem in Bezug gesetzt werden. So kommen Stimmungen und Emotionen zur Sprache, darunter auch sehr eindimensionale Sichtweisen auf die deutsche Gesellschaft oder „dunkle“ Gefühle, an die sich radikalisierende Ideen und das Denken in einfachen Dichotomien anschließen. Es geht folglich um Identitätskonstruktionen, die gefährdet sind, in radikalisierten Wirklichkeitssichten zu verharren oder in diese noch weiter „abzudriften“. Und es geht darum, mittels eines biografisch-narrativen Verfahrens zu ihnen „durchzudringen“ und zu einem differenzierenden Denken anzuleiten bzw. in Distanz zu einschlägigen Ideologien zu treten. Wichtig dabei ist: Die Herangehensweise muss individuell anschlussfähig sein. Mithin gibt es auch keine einfachen Anleitungen und Interventionsmodelle. Die Entscheidung und Wissenserschließung bleibt bei den Teilnehmer*innen und Akteur*innen selbst – nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund ihres Vorwissens und ihrer prägenden emotionalen Erfahrungswelten.

EXchange Brandenburg nutzt dabei methodologische Synergien zu anderen von Cultures Interactive durchgeführten Projekten, insbesondere zu den Verfahren der ebenfalls narrativ-biographisch fundierten „Wir-unter-uns-Gruppe“ und den „narrativen Dialoggruppen“ in Schulen und Jugendclubs.

Radikalisierungsprozesse erkennen und Interventionen professionell gestalten

Die Gruppen- und Einzeltrainings von EXchange Brandenburg wenden sich an im Radikalisierungsprozess befindliche und radikalisierte Inhaftierte und Klient*innen der Bewährungshilfe. Methodisch und inhaltlich ist die Gestaltung des Interventions- bzw. Deradikalisierungsprozesses abhängig vom Grad der Radikalisierung.

Außerdem werden Fortbildungen durchgeführt, die Multiplikator*innen befähigen, Radikalisierungsprozesse zu erkennen, einen professionellen Umgang mit ideologisierten Straftäter*innen zu finden und bei Bedarf externes, spezifisch geschultes Personal zur Hilfe zu holen.

Zur Erreichung der Hauptziele werden folgende Handlungsziele angestrebt:

  • Durchführung von Biografie-Werkstätten/Jugendkultureller Identitätsreflektion mit gefährdeten Inhaftierten
  • Umfassende Fallabklärung und Diagnostik in Verdachtsfällen von Radikalisierung (nach Bedarf)
  • Umsetzung von spezifischen Gruppen- und Einzeltrainings mit ideologisierten Personen in Haft
  • Fortbildungsangebote für Fachkräfte und Multiplikator*innen im Haft- und Vorhaftbereich
  • Bedarfsorientierte Beratung von Jusizvollzugsanstalten im Umgang mit ideologisierten Gefangenen

Folgende Wirkungen sollen erzielt werden:

  • Durch die spezifischen Angebote und Trainings werden ideologisierte Denkmuster radikalisierungsgefährdeter/radikalisierter Straftäter*innen hinterfragt, verändert oder abgelegt. Empathiefähigkeit und Toleranz werden gestärkt.
  • Die veränderte Denkweise wirkt sich auch auf das Handeln der Zielgruppe aus: Diskriminierung aufgrund von ethnischer Herkunft, sexueller Orientierung, Genderrollen-Verständnis oder religiöser Zugehörigkeit sowie gewalttätiges Handeln im Strafvollzug wird reduziert.
  • Durch die Prävention/Intervention im Radikalisierungsprozess und die Unterbrechung der Gewaltkarriere wird die Lebenslage der Zielgruppe maßgeblich verbessert: Kurzfristig können Haftverkürzungen, langfristig neue Lebensperspektiven und (berufliche) Chancen durch den Ausstieg aus extremistischen Szenen und Gruppierungen die Folge sein.
  • Rückfallquoten der Zielgruppe sind verringert, die Re-Integration der Straftäter*innen wird gefördert und zukünftige ideologisch motivierte Straf- und Gewalttaten vermieden.
    Bezogen auf die Multiplikator*innen wird eine gesteigerte Verhaltenssicherheit im Umgang mit radikalisierungsgefährdeten und radikalisierten Personen bewirkt.

Projektinformationen

Projektzeitraum
2017 bis 2029

Ansprechpartner
Helmut Heitmann
namteih@aol.com

In Kooperation mit
Violence Prevention Network