Sensible Umfeldberatung für Jugendliche

Das halbjährige Sondierungsprojekt zur Prävention von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Mobbing, gewaltförmigem Extremismus und anderen demokratiegefährdenden Entwicklungen baute auf der Einsicht auf, dass niemand mit jungen Menschen so leicht in nahen und kontinuierlichen Kontakt gelangt wie junge Menschen selbst – nämlich im Gefüge ihres jeweiligen jugendlichen Peer-Umfeldes. Unter günstigen Umständen können Jugendliche deshalb in ihrem Umfeld eine sehr nachhaltige zwischenmenschliche Wirkung aufeinander haben. Doch jugendliche Sozialräume sind zugleich oft von Beherrschungs- und Einschüchterungsszenarien betroffen oder anderweitig durch gruppendynamische Spaltung und Blockierung beeinträchtigt. Hier kann eine sensible Umfeldberatung möglicherweise helfen. Jedoch stellten sich hierzu verschiedene Fragen:

  • Wie muss eine niedrigschwellige aufsuchende Jugend(Umfeld)Beratung in der Kommune beschaffen sein, um junge Leute innerhalb lokaler jugendlicher Lebenswelten dabei zu unterstützen, gute und entwicklungsfördernde Wirkungen aufeinander zu haben und menschenrechtliche, solidarische Motive des Miteinander zu stärken?
  • Wie können Angebote der pädagogischen Jugendkulturarbeit vorbereitend hierzu beitragen? Und wie können – darauf aufbauend – in kurzzeitigen Beratungsformaten bei Jugendlichen Prozesse der persönlichen Weiterentwicklung in pro-demokratischer, sozialer und menschenrechtsorientierter Perspektive unterstützt werden?
  • In anderen Worten: Wie können Jugendliche, die in ihrem Sozialraum von Einschüchterung, Mobbing und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit betroffen sind, in ihren Fähigkeit gefördert werden, sich untereinander möglichst günstig zu verhalten, d.h. sich punktuell abzuwenden, gegebenenfalls abgemessen zu konfrontieren, aber gleichzeitig auch in Beziehung zu gehen und einzubinden und sich dabei geeigneten Beistand und Beratung zu suchen – um insgesamt eine gesprächsfördernde, lösende und somit prodemokratische Wirkung zu entfalten?
  • Wie kann dies gerade auch in strukturschwachen, schwer zugänglichen und mit hohen Risiken befrachteten Sozialräumen befördert werden? Wie kann dabei – im Sinne von Umfeldberatung – letztlich auch auf jene anti-sozial und destruktiv eingestellten Jugendlichen indirekt eingewirkt werden, die für sich keinen Beratungsbedarf sehen, jedoch regelmäßig die Betreiber*innen jener Einschüchterungsdynamiken sind – und deren Lebenshaltung von Elementen der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, des Mobbings und von gewaltförmigem Extremismus durchsetzt sind?

Entlang dieser Fragen hat das halbjährige Sondierungsprojekt eruiert, wie die Welten der professionellen psychosozialen Beratung, sei es in Form von Ansätzen der systemischen oder der klient*innenorientierten Beratung, näher an die jugendlichen Lebenswelten heranrücken können, von denen sie oft sehr weit entfernt scheinen – insbesondere in strukturschwachen Räumen und sozialen Brennpunkten.

Die bei cultures interactive e.V. entwickelten Zugänge – jugendkulturelle Schulprojekttage und Workshops, Narrative Gesprächsgruppen, Intervisionsgruppen für Fachkräfte, Distanzierungstrainings für Einzelne, systemische Beratung für Betroffene von Verschwörungserzählungen, das Handlungskonzept für die Arbeit mit rechtsaffinen Jugendlichen – sind hierbei hilfreiche Ansatzpunkte. Die Umsetzung einer niedrigschwelligen, kommunal eingebetteten Umfeldberatung gerade auch in der Rechtsextremismusprävention steht jedoch noch aus.